Kaufberatung für Kletter- und Klettersteigkarabiner

Karabineraufbau

Karabiner sind ein unverzichtbares Zubehör für Kletter- und Klettersteig-Geher. Die Bezeichnung kommt eigentlich von „Karabinerhaken“ und hat ihren Ursprung schon im 15 Jahrhundert.
Wir wollen uns hier jedoch auf die Gegenwart beschränken und die Unterschiede bzw. Einsatzbereiche nachfolgend herausarbeiten.
Wichtiges Kriterium sind die Festigkeiten bzw. Bruchlasten der einzelnen Karabinerformen, deshalb nachfolgend eine Übersicht der Belastungbarkeiten in kN. Weiters regelt die Norm, dass auf jedem Karabiner Mindestfestigkeiten (längs, quer, offen) angegeben werden müssen, die der Hersteller garantieren kann. Darüberhinaus sind ist eine 3CE-Kennzeichnung mit 4-stelliger Kennung (sie gibt das die Produktion überwachende Institut an z.B. 0123 für den TÜV Süd) sowie ein Hinweis auf eine Gebrauchsanleitung verpflichtend. Freiwillig kann der Hersteller noch zusätzliche Angaben wie Chargennummer, Herstellungsmonat/Jahr und Verweise auf die UIAA-Norm bzw. bei Karabinern die EN12275 Norm geben.        

KarabinerformNorm
EN 12275
Belastung
längs
Belastung
quer
Belastung
offen
NormalkarabinerTyp B 20 7 7
Normalkarabiner
ohne Querbelastung
Typ D20keine
Angabe
7
Halbmastwurf-
(HMS)Karabiner
Typ H2276
Klettersteig-
karabiner
Typ K2578
Maillon RapideTyp Q20 10 keine
Angabe 
Ovaler KarabinerTyp X2075
     


Um den richtigen Karabiner für sich und den entsprechenden Einsatzzweck zu finden braucht man zuerst eine Information über den Aufbau und die einzelnen Bauteile des Karabiners.

  • Schnapper
    ein bewegliches Bauteil am Karabiner, das für das Öffnen und Schließen des Karabiners verantwortlich ist. Bei Verschlußkarabinern befindet sich an/auf diesem Segement der entsprechende Verschlußmechanismus.
    Bei Normalkarabinern unterscheidet man zwischen „straight“,“ bent“ und „wire“ Schnappern.
    Der Karabiner mit dem „Straight“-Schnapper wird bei Express-Sets meist zum Einhängen am Sicherungsmittel (Bolt, Friend, Haken etc.) verwendet. Die „Richtung“ ist abhängig wie der weitere Routenverlauf bzw. wo der nächste Sicherungspunkt ist.
    Der „Bent“-Schnapper wird meist zum Einklicken des Seils verwendet. Aufgrund seiner Form ist er für ein einhändiges Bedienen deutlich vorteilhafter. Als Alternative zum „Bent“-Schnapper verwendet man auch den „Wire“-Schnapper. Dieser hat aufgrund seines geringen Eigengewichts den Vorteil, dass eine Offenbelastung bei einem Sturz insbesondere wenn der Karabiner ungünstig positioniert ist (z.B. Felsauflage, Felsnase) besser vermieden werden kann. Grundsätzlich sind die Expressen immer mit der gleichen Karabineranordnung versehen und man sollte diese dann auch entsprechend „gleichmäßig“ einhängen.
  • Längseite
    Diese Seite liegt dem Verschlussmechanismus gegenüber und beinhaltet meist die technischen Daten und Prägungen welche die Karabinernorm vorschreibt (EN12275) bzw. auch die freiwilligen Angaben der Hersteller
  • Nase
    Der Bereich des Karabiners in den der Schnapper einrastet und den Karabiner damit verschließt. Normalerweise wird hier der „Keylock-Verschluss“ am meisten zu sehen sein, der den Vorteil hat, dass sich das Seil beim Ein-/Ausklinken nicht verhakt.
  • Bogen
    In diesem Bereich läuft das Seil bzw. an der gegenüberliegenden Seite hängt der Karabiner im Sicherungsmittel (Bolt, Haken, Schlinge, Keil etc.). Dieser Bereich sollte ständig auf Abrieb und H-Risse geprüft werden. Insbesondere bei intensiver Nutzung (Abseilen) können sich Abriebspuren bzw. Materialschwund bemerkbar machen, die ein Aussondern des Karabiners erforderlich machen.
  • Öffnungswinkel des Karabiners
    Der Öffnungswinkel spielt eine große Rolle wenn es um den Einsatzbereich des Karabiners geht. So haben beispielsweise HMS-Karabiner einen größeren Öffnungswinkel um den Halbmastwurf bei Doppelseilen gut ein-/ausklinken zu können. Dieser Öffnungswinkel wird oftmals auch durch die Birnenform des Karabiners erreicht, der neben einem besseren Handling des Halbmastwurfes auch einen größeren Öffnungswinkel erlaubt.
    Bei Klettersteigkarabiner ist ebenfalls ein großer Öffnungswinkel von hoher Wichtigkeit, da bei dicken Stahlseilen, Stahlstiften und Leitern sonst nicht eingeklinkt werden kann.
    Schlußendlich ist auch das Handling vor allem im BigWall und Eiskletterbereich mit Handschuhen bei Karabinern mit größerem Öffnungswinkel leichter.
    Allerdings braucht man vor allem für alpine Touren mit klassischen Sicherungen auch kleinere Karabiner (damit ist auch der Öffnungswinkel beschränkt) um beispielsweise Haken in Nischen und engen Winkel gut klicken zu können.
  • Längsbelastung
    Diese Belastungsrichtung bezeichnet die Standardsituation bei der die Haltekräfte am höchsten sind. Karabiner sollten auch stets so angebracht werden, dass bei einer Belastung (Sturz, Abseilen etc.) dies die primäre Belastungsrichtung darstellt.
  • Querbelastung
    Diese Belastungsrichtung bringt die Lasten auf den Verschluß oder den „Rücken“ des Karabiners und sollte möglichst vermieden werden, da der Karabiner in dieser Richtung weit weniger Haltekräfte erreicht.
    In selten Fällen kommt dies beim Verhaken im Sicherungsmittel (Bolt, Haken etc.) oder bei größeren Richtungsänderungen im Vorstieg vor, dass der Karabiner quer liegt. Allerdings muss dies aus obigen Gründen tunlichst vermieden werden.
  • Offenbelastung
    Dies Belastung bei geöffnetem Schnapper nennt man Offenbelastung und ist unbedingt zu vermeiden, da der Karabiner hier nur einen Bruchteil seiner Haltekraft hat. Diese Situationen können auftreten, wenn der Karabiner (Express-Schlinge) zu Zeitpunkt des Sturzes beispielsweise am Fels anschlägt und die Belastung dann exakt in diesem Moment stattfindet. Daher empfiehlt sich in bei solchen Sitationen die Sicherungskette anders aufzubauen (beispielsweise das Fädeln einer Bandschlinge durch den Haken……).
    Auch fehlerhaftes Einhängen des Karabiners (nose hooked) kann diese Situation verursachen. Auf weitere extrem seltene Fälle soll an dieser nicht mehr eingegangen werden. Schlußendlich bedarf es einer bedachten Vorgehensweise des Kletterers bzw. Klettersteiggehers um diese Situation unbedingt zu vermeiden!
  • Materialien
    Es werden hier in der Regel Aluminium und Stahl verwendet. Allerdings sind Stahlkarabiner deutlich schwerer und haben eine weit höhere Festigkeit. Daher verwendet man diese vor allem an Umlenkpunkten (Abseilstellen, Toprope-Stellen bzw. in Hallen und Klettergärten an den Ständen). Zum normalen Klettern sind diese in der Regel zu schwer und werden daher nicht verwendet. Die Aluminiumkarabiner haben aufgrund ihrer Materialeigenschaften einen deutlich höheren Materialverschleiß und müssen daher regelmäßig auf Verschleiß geprüft werden. Bei Verschleißspuren sollten diese dann auch ausgemustert werden und einer „anderen Verwendung“ zugeführt werden (siehe Bild)
  • Festigkeit der Karabiner
    Grundsätzlich kann man sagen, dass die Haltekräfte der Karabiner bei Standardbelastungen genügend „Reserven“ haben. Voraussetzung ist Erfüllung der Norm DIN12275 bzw. Vorgabe der UIAA. Dies erfüllen jedoch alle Markenhersteller. Trotzdem sollte jeder sein Material auf die Einprägung dieser Vorgaben untersuchen bzw. beim Kauf darauf achten.


Karabinerform

  • Normalkarabiner
    Normalkarabiner sind die am meisten verwendeten Karabiner und werden vor allem bei Express-Schlingen verwendet. Es gibt verschiedene Ausprägungen und Formen auf die wir jedoch schon eingegangen sind. Meist haben die Karabiner noch eine gummierte Fixierung um sie bei der seilseitigen Verwendung als Express-Schlinge so zu stabilisieren dass im Belastungsfalle einen Längsbelastung stattfindet (dadurch soll eine Querbelastung oder in ganz seltenen Fällen ein Öffnen des Schnappers verhindert werden). Beim Kauf sollte darauf geachtet werden, dass diese Fixierungen auch seilseitig verwendet sind.
    Eine Sonderform in dieser Kategorie sind Ovalkarabiner, die häufig in BigWall Klettereien eingesetzt werden (siehe Abb.). Auch in den Bereichen Industrieklettern, pädagogisches Klettern oder beim Baumklettern findet sich diese Variante.






  • HMS-Karbiner (Halbmastwurfkarabiner)
    Diese Karabiner sind vorrangig für die HMS-Sicherung gedacht und daher kommt auch die birnenförmige Form. Normalerweise sind sie mit einem Verschluss-System ausgestattet. Die Birnenform ermöglicht ein gutes Handling des Halmastwurfknotens. Diese Karabiner werden sind auch für den Einsatz von Sicherungsgeräten gedacht. Allerdings sind hier die jeweiligen Herstellerangaben bzw. Empfehlungen unbedingt zu beachten.





  • Klettersteigkarabiner
    Klettersteigkarabiner haben einen speziellen Verschlußmechanismus, der vor unbeabsichtigem Öffnen schützt sowie beim Umhängen schnell und effektiv zu benutzen ist. Auch sie haben hohe Belastungswerte soweit sie der Norm entsprechen (Typ K). Diese Karabiner werden ausschließlich in Klettersteigen verwendet.

  • Materialkarabiner (keine Kletter- und Sicherungskarabiner)
    Diese Karabinerart sollte eigentlich hier nicht erscheinen, da sie niemals zum Klettern bzw. Sichern verwendet werden sollte. Der Vollständigkeit halber wollen wir jedoch auch diese Art von Karabiner kurz mit aufnehmen.
    Ihr Einsatzbereich liegt im Materialtransport, als Schlüsselanhänger oder als Trinkflaschenhalterung. Erkennbar sind sie an einer fehlenden Normierung (EN/CE)
Materialkarabiner

Sicherungs-/Verschlusskarabiner

Standplatz-Ausgleichsverankerung


Sicherungs-/Verschlusskarabiner sind mit einem Verschlussmechanismus ausgestattet der unbeabsichtigtes Öffnen verhindern soll. Es gibt hier eine Vielzahl von Varianten auf die im nachfolgenden näher eingegangen werden soll. Unterschieden wird hier zwischen selbst verriegelnden Verschlusskarabinern wie dem Edelrid Slider, dem Petzl Am´D Ball Lock oder Magnetron Vaporlock von Black Diamond und den klassischen Schraubkarabinern. Vorteil der automatischen Systeme ist, dass sich der Karabiner normalerweise nicht von selbst ohne aktive Einflußnahme des Bedieners öffnen läßt. Dadurch werden viele Flüchtigkeitsfehler und potentielle Gefahrensituationen (aushängen durch plötzliche Querbelasung) schon im Ansatz vermieden. Andererseits haben meiner Ansicht nach klassische Schraubkarabiner noch immer eine Berechtigung und sind schnell und effektiv zu bedienen (ich persönlich bevorzuge beispielsweise zur Selbstsicherung am Standplatz insbesondere bei Mehrseillängenrouten einen klassischen Schraubkarabiner)



  • Schraubverschluss

Salewa Hot G3 Screw Karabiner



Dies sind die klassischen Verschlusskarabiner. Mittels einer Hülse und Innengewinde wird der Karabiner verschlossen bzw. geöffnet. Diese Verschlußform ist der Klassiker und nach wie vor am weitesten verbreitet. Da kein Automatismus dahinter liegt, ist der Bediener gefordert d.h. es muss auch immer zugeschraubt sein und darf nicht vergessen werden. Diese Fehlerquelle wird bei den Autolock-Systemen vermieden. Die Birnenform oder auch asymetrische Form (siehe Abbildung rechts) ermöglicht eine höhere Belastung bei gleichzeitiger Gewichtsreduzierung. Schließlich ermöglicht diese Form auch einen größeren Öffnungswinkel und vereinfacht daher das Einlegen des Seils für eine Halbmastwurf-sicherung.


  • Twist-Lock /Triact-Lock Verschluss
Twist-Lock von Black Diamond

Dieser Verschluss-Form eignet sich gut in Verbindung mit Sicherungsgeräten. Der Twistlock wird mittels einer Vierteldrehung automatisch verriegelt. In seltenen Fällen kann sich dieser Karabiner bei einer Halbmastwurfsicherung selbst öffnen (wenn das Seil ungünstig über den Verschluss läuft), daher sollte man diesen Karabiner nicht für die klassische Halbmastwurfsicherung verwenden. Der Triact-Lock-Verschluss benötigt neben der Vierteldrehung noch ein zusätzliches „Nachobenschieben“ und kann sich daher nicht selbststständig öffnen.







  • Ball-Lock
William-Ball-Lock-Karabiner von Petzl

Der Ball-Lock Karabiner ist eine Variante des Twist-Lock Karabiner und noch zusätzlich mit mit einem Ball-Lock System ausgestattet (grüner Knopf). Durch die beiden Verriegelungssystem ist ein unbeabsichtigtes Öffnen nicht mehr möglich. Allerdings ist der Karabiner einhändig bzw. mit Handschuhen nurmehr sehr eingeschränkt zu bedienen.










  • Slide-Gate Verschluss (Edelrid)
Safe-Lock/Safe-Lock FL

Der Slide-Gate-Verschluss ist in der Nase des Karabiners eingelassen und funktioniert durch einen Federmechanismus. Das Öffnen/Schließen ist mit Handschuhen ebenfalls schwieriger bzw. ist etwas gewöhnungsbedürftig. Vorteil hingegen ist, dass im Gegensatz zum Schraubkarabiner hier kein „Zuschrauben/Aufschrauben“ erforderlich ist. Bei „strategischen“ Zwischensicherungen minimiert dieser Verschluß auch das unbeabsichtige Öffnen des Karabiner. Zudem kann er auch leichter geclippt werden als dies beim klassischen Schrauber der Fall ist. Die „FG“-Variante eignet sich zudem hervorragend für Sicherungsgeräte aller Art, da hier ein Verrutschen des Sicherungs-karabiner durch den Sicherungsbügel vermieden wird. Dadurch entstehen keine ungünstigen Querbelastungen.




  • Magnetron-Verschluss (Black Diamond)


Ein sehr innovatives Verschluss-System das auch gut einhändig bedienbar ist. Wird sowohl in einfachen Schraub- als auch HMS-Karabinern verwendet. Bei dem Verschluss-System werden magnetische Verriegelungsbügel an der Öffnung von einer Stahleinlage in der Nase des Karabiners angezogen, was einen sicheren und störungsfreien Verschluss garantiert. Durch beidseitiges Drücken des Bügels wird der Verschluss geöffnet bzw. geschlossen. Dies ist auch bei niedrigen Temperaturen mit Handschuhen problemlos möglich. Auch ein einhändiges Bedienen läuft ohne Schwierigkeiten.









Welchen Karabiner brauche ich ?

Die wichtigste Entscheidung wird die Unterscheidung zwischen Standardkarabiner und HMS-Karabiner sein.
Zweites wichtiges Thema sollte die Wahl der Verschlussart sein.
Alles weitere ist „Fein-Tuning“ und hängt sehr von den individuellen Bedürfnissen bzw. Einsatzbereichen ab und muss daher durchaus subjektiv entschieden werden. Ein verbaler Gedankenausstausch im Klettergarten, vor der Tour oder auch beim „TAB“ (Tourenabschlussbier) sind hier sicherlich hilfreiche Ratgeber.

Zu guter Letzt :
Scheut Euch nicht, andere auf falschen oder unsachgemäßen Einsatz von Karabinern hinzuweisen. Die Palette und Komplexität der Karabiner samt deren Einsatzbereich ist inzwischen so groß geworden, dass manch einem der Überblick über den richtigen Einsatz durchaus verloren gehen kann.


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