Flug von Bad Reichenhall in die Dolomiten

Kostengünstig von Deutschland nach Italien?: Do not touch Austria!

Transalp ist ein Begriff der gerade die letzten Jahre mehr und mehr verwendet wird um tolle Abenteuer auf dem Weg von den nördlichen Voralpen über den Alpenhauptkamm zu den südseitigen Gebirgszügen zu beschreiben. Meist legen dabei sportliche Naturliebhaber die Distanz von ca. 250km und vielen Tausend Höhenmetern mit dem Bergrad oder per pedes an mehreren Tagen zurück.

Ich möchte hier ein Flugabenteuer vorstellen, bei welchem ebenfalls der Alpenhauptkamm bezwungen, oder besser gesagt überwunden wurde – an einem Tag mit dem Gleitschirm von Bad Reichenhall nach Alta Badia in Italien.

Am Vorabend des 18. Juli 2014 informierte ich mich auf diversen Internetseiten wie das Flugwetter für den motorlosen Flug
(Gleitschirm, Drachen und Segelflieger) für den darauffolgenden Tag werden würde: Aktive Luftmassen mit deutlicher Quellwolkenbildung (gute Thermik) und großflächig schönem Wetter – nördlich und südlich vom Alpenhauptkamm!
Zudem sollte es auch nur wenig Wind in der Höhe haben. Das sollten doch ideale Bedingungen für einen weiten Flug über den
Alpenhauptkamm bis nach Italien sein! Davon träume ich schon seit langem. 2006 gelang mir schon einmal ein Flug vom Hochfelln nach Lienz in Osttirol. Die Überquerung zwischen Großglockner und Großvenediger war damals schon atemberaubend schön.

Der Tag der Tage startete mit meiner einzigen monetären Investition an diesem Tag – der Bergfahrt mit der ältesten im Original erhaltenen Seilbahn der Welt – der Predigtstuhlseilbahn in Bad Reichenhall. Oben angekommen müssen dann je nach Startrichtung noch 10 bis 45 Minuten Fußweg bewältigt werden. Die meisten ambitionierten Piloten gingen zum Startplatz Schreck. Von dort ist ein relativ guter Einstieg in die morgens von der Ostseite aufsteigende Thermik möglich.

Um 11 Uhr startete ich und flog gleich rüber auf die genannte Ostseite des Karkopfes. Das Variometer, ein Fluginstrument welches einem neben der Höhe auch das Steigen oder Sinken der Luftmassen anzeigt, begann mit einem hochfrequenten Piepsen – also einem  Steigen. Zuerst noch sanftes Steigen und später ging es schon schneller mit 3 m/s hoch bis zur Wolkenbasis auf 2.200m. Mit Wolkenbasis wird die untere Fläche der Haufenwolke (Cumulus) bezeichnet. Cumuluswolken sind für die motorlosen Flieger ideale Indikatoren für Aufwinde, da die wärmeren und auch feuchteren Luftmassen genau unterhalb dieser Wolkenart aufsteigen und dann zur Wolke kondensieren. Der Flugtag ging also hervorragend los! Ohne diesen schnellen Einstieg in die Thermik wird es oft schwierig. Wenn man Pech hat, kann man nämlich auch nach 20 Minuten Gleitflug schon wieder am Boden stehen… Meine Flugzeit an diesem Tag sollte aber 7h 22min betragen. Die Flugroute war Anfangs klar vorgegeben: Es ging für uns (neben mir noch 6 andere Fliegerkollegen aus dem BGL) zunächst in Süd-West Richtung zur Reiteralm. Vorbei am idyllischen Hintersee mit bester Aussicht auf den markanten Hochkalter.

Nach den Reiteralm-Gipfeln werden die Berge wieder niedriger und trotzdem war die Versorgung mit Thermik zuverlässig. Dies war auch wichtig, da eine Talquerung Richtung Loferer Steinberge folgen sollte. Mit 2.500m flog ich ab in Richtung Ochsenhorn. Nach 500m Höhenverlust an den felsigen Süd-Ost Seiten angekommen, ging es dann auch schon wieder zuverlässig aufwärts. Der Tag war gut! ☺
Weiter flogen wir dann zum Wallerberg – einem relativ niedrigen (1.682m) Buckel oberhalb Fieberbrunn. Hier war es sehr wichtig wieder Höhe zu machen – möglichst bis zur Wolkenbasis. Es wurde uns nichts geschenkt und es hat dann doch 15 Minuten gedauert bis ich in der zerrissenen Thermik aus meinen 1.850m 2.800m machen konnte. Nun folgte eine der längeren Talquerungen (7km): Rüber zum Karstein – der nächste Gipfel östlich vom Kitzbüheler Horn.

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Dort auf den Süd-Ostflanken angekommen war das Variometer aber leider stumm bzw. zeigte sogar noch einige Zeit ein Sinken an. Ich verlor Höhe und entschloss mich für die Flucht nach vorne: Ich flog weiter in das Tal ein bis fast ganz nach hinten. Dann, endlich wurde ich belohnt und konnte wieder das hochfrequente Geräusch vernehmen; es ging aufwärts. Eine Schlüsselstelle des Tages war überwunden.
Von der Wolkenbasis aus flog ich weiter Richtung Paß Thurn und freute mich auf den Einstieg ins Pinzgau. Dieses Tal ist bei den Fliegern bekannt als eines der am einfachsten zu befliegenden Täler in den Alpen. Die Aufwinde entstehen hier sehr zuverlässig und über den südlichen Bergflanken bilden sich dann wie an einer Perlenkette angeordnet Cumuluswolken. Oft hat man dort auch das Glück gemeinsam mit Steinadlern in der gleichen Thermik zu kreisen. Ein sehr erhabenes Gefühl.

Am Paß Thurn also wieder Höhe gemacht und aus 3.000m dann der Abflug in Richtung Westen zum bekannten Skigebiet Wildkogel.

foto3-blick-ins-pinzgau-in-richtung-gerlospass

Am Wildkogel etwas in Richtung Talmitte versetzt standen aber bereits riesige Quellwolken und ich musste nun wichtige Entscheidungen treffen: Mache ich es wie die meisten anderen und drehe um für den Weiterflug in Richtung Zell am See – die Wolkenstraße in diese Richtung sah verlockend aus. Oder umfliege ich diese riesige Wolke südseitig um das Große heute tatsächlich in die Tat umzusetzen, nämlich den Weiterflug Richtung Italien. Nachdem bis hierher alles so gut lief, entschied ich mich für das Abenteuer und das Kennenlernen einer für mich unbekannten Gegend.

Also flog ich an den südlichen Wolkenrand und konnte dort sogar an dessen Seite noch weiter hochfliegen bis auf 3.200m. Dabei gab es für mich auch wieder mal die Gelegenheit den eigenen Schatten in der Wolke abgebildet zu sehen – eingekreist von einem regenbogenfarbenen Halo. Manche Bergsteiger kennen dieses Bild auch, wenn sie bei Sonnenschein am Gipfel stehen und etwas unterhalb wabern noch einige Wolkenfetzen. Einfach schön. Nun ging es weiter in Richtung Krimmler Achental. Direkt am Taleingang war auch wieder die helfende Thermik anzutreffen und ich konnte 900 Höhenmeter gut machen. Ich fühlte mich in meiner Einschätzung gestärkt in Richtung Hauptkamm weiterzufliegen. Es ging nach Süden weiter zum 3.074m hohen Unlaßkarkopf.

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In 3.650m Höhe entschied ich mich schlussendlich den Grat nahe der Steinkarspitze zu queren und in das Ahrntal nach Italien einzufliegen. Es ging einfacher als ich dachte. Ciao, bella Italia! Vier Thermiktankstellen später bin ich schließlich mühelos am
Talausgang nahe Sand in Taufers angelangt. Ich kannte die ganze Region gar nicht. Einen Weiterflug in Richtung Süd-West
wollte ich nicht wagen, da es dort keine landbaren Haupttäler zu sehen gab. Ich schwenkte in Richtung Süden und flog die um
diese nachmittagliche Zeit (16.30 Uhr) von der Sonne direkt angestrahlten Westflanken an. Mit Erfolg. Ich konnte innerhalb 16 Minuten noch einmal 1.400 Höhenmeter gut machen ehe ich dann aus 3.800m zur letzten großen Talquerung vorbei an Bruneck Richtung Kronplatz weiterflog.

Dort habe ich dann auch nach 60km Flugstrecke wieder den ersten Gleitschirm (seit dem Wildkogel) gesehen. Die nun folgenden 45 Minuten Flugzeit waren knifflig. Die flacheren Ausläufer der 3.000m hohen Dolomitengipfel waren thermisch kaum noch aktiv. Nach längerem Verharren im Hangaufwind an ein und derselben Stelle wagte ich dann doch den Sprung an den Bergfuss einer sehr steilen Nord-West Felswand welche zur 3.026m hohen Zehnerspitze hinaufführt.

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Dieser Moment war dann eigentlich der schönste des ganzen Fluges: Erst noch zögerlich, dann immer stärker werdend hob mich die aufsteigende Warmluft mit 4m/s nach oben. Ohne zu kreisen, ich flog einfach die Klettersteigwand hin und her. Plötzlich kam dann auch noch ein toller akustischer Reiz in Form eines kleinen Staubwasserfalls hinzu. Und etwas unterhalb des Gipfels winkten dann auch noch zwei Kletterer. Die haben sich die Höhenmeter sicherlich wesentlich kraft- und zeitaufwändiger erarbeitet als ich.

Nach Erreichen des Gipfelniveaus ging es dann dem Grat nach Süden folgend weiter. Bei einem Blick zurück traute ich meinen Augen kaum. Ein surrealer Anblick: Die Neunerspitze mit einer auf der Süd-Ostflanke abgerutschten Felsscholle. Das muss ja mal ein Ereignis gewesen sein! Danach vorbei am Heiligkreuzkofel zum imposanten 3.055m hohen Piz Lavarella. Dort empfingen mich
plötzlich äußerst starke Turbulenzen; ich fühlte mich wie in einer Achterbahn.

Oft ist es so, dass man an solchen Stellen belohnt wird, wenn man dort noch etwas weiter versucht die enge zerrissene Thermik zu zentrieren. Ich gab mein Bestes, nach 2 anstrengenden Minuten gab ich aber auf und flog von dieser äußerst unruhigen Stelle
schnell weg. Die Ursache für diese Turbulenzen: Die Stelle befand sich genau an einer Ecke an welcher von der Süd-Westseite und auch der West-Seite zum gleichen Zeitpunkt starke Thermik hinaufströmte. Die Aufwinde aus den leicht unterschiedlichen Richtungen erzeugten dann direkt über dem Gipfelgrat die starken Wirbel.

Was nun?
Ich war etwas planlos. Es gab keinen weiteren markanten Talverlauf zu sehen. Insgesamt gesehen war ich durch die weite Flugstrecke und die tollen Eindrücke äußerst zufrieden. Zuletzt dann noch diese turbulente Phase. Ich entschied mich für den Abbruch des Fluges und hielt Ausschau nach einem Ort in der Nähe einer Straße, von wo aus ein Zurückkommen – zunächst nach Bruneck gut möglich gewesen wäre.

In Sichtweite flog über einem Dorf ein Gleitschirm. Ich entschloss mich dort hin zu gleiten und auf der Wiese im Ort zu landen.

Es waren noch einige Gleitschirmflieger am Landeplatz und ich fragte zuerst einmal wo ich hier denn bin?! Der Fliegerkollege sah
mich verdutzt an und erklärte, dass ich in Alta Badia gelandet bin. „Wo denn sonst? Bist Du nicht hier oben gestartet?“ Meinen Startberg Predigtstuhl und auch den Ort Bad Reichenhall, dachte ich brauche ich jetzt nicht zu antworten. Die sind hier wahrscheinlich nicht so bekannt. Ich sagte: „Ich komme aus der Nähe von Salzburg.“ „Salzburg! What the fuck, Salzburg!“ Alle am Landeplatz bekamen dies mit und standen sogleich in einer Menschentraube um mich herum. Ich musste alle Details des weiten
Fluges erzählen.

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Danach wurden per Handy andere Fliegerkollegen aus der Gegend angerufen. 10 Minuten später kamen noch mal 5 Leute an, denen ich die Geschichte noch mal erzählen durfte. Das Zusammenpacken meiner Ausrüstung hatte noch nie so lange gedauert wie an diesem Abend…

foto9-gelandet-in-alta-badia

Danke an die netten Parapendios (Gleitschirmflieger) aus Alta Badia. Habe mich bei eurem Empfang wirklich besonders gefühlt!

Danke auch an Ossi Praxenthaler für die tolle Empfehlung der ultraleichten mit Daunen gefüllten Dynafit Vulcan – Jacke. Ich habe diese schon letzten Winter beim Skitourengehen schätzen gelernt: Sehr leicht hochzutragen und doch angenehm warm haltend bei der Abfahrt. Und hier beim Fliegen: Einfach Klasse! Absolut winddicht und selbst nach über 7 Stunden Fahrtwind (30 bis 55 km/h) bei bis zu 0°C war mein Körper nicht ausgekühlt. Habe ich bei keiner Oberbekleidung vorher in dieser Qualität erlebt.

Happy landings,

Peter

 

 

 

 

 

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