First Run, First Line.
Adrenalin strömt durch meine Adern. „You gotta be quick“, tönt eine Stimme hinter mir. Die Bügel des Sessellifts öffnen sich. Raus, und rechts, und gleich wieder abbiegen. Rechts, zwischen den Bäumen hinein und den Hang hinunter. Wahnsinn. Keine einzige Spur. Jubelrufe hinter mir. Die innere Stimme mahnt „Du musst schnell sein!“. Es fühlt sich an wie die weiße Gischt des Meeres, als mir der Schnee ins Gesicht und über den Kopf sprüht. Ich gebe den Glücksgefühlen nach und jauchze laut. Je weiter ich den Hang hinunter fahre, desto mehr Jubelrufe höre ich über mir. „DAS ist also der berühmt berüchtigte Champagne Sushi-Powder“, denke ich und kann nicht aufhören zu lächeln.
Mein Sitznachbar schaut mich verwundert an und sagt „man hört ja immer, dass sich alle nach Süddeutschland oder Österreich zum Skifahren aufmachen und dann sitzt du hier und erzählst mir, du kehrst den Voralpen den Rücken zu“. Ob er Recht hat? Ist der Sushi-Powder wirklich die Reise wert oder lässt man sich mal wieder aus reiner Neugier am Fremden anziehen? Ganz nach dem Sprichwort „bei den Anderen ist das Gras immer grüner“ oder in diesem Zusammenhang: der Schnee weißer. Naja, ich hab der Neugier schon immer nachgegeben und so sitz ich im Flugzeug, in freudiger Erwartung und mit leicht nervösem Kribbeln im Bauch.
„Schnee, Schnee, Schneeee!“ jubiliere ich, als hätte ich noch nie welchen gesehen. Ankunft in Sapporo – es schneit und windet und doch blitzt die Sonne und etwas blauer Himmel durch. Trotz der kargen, grauen Gebäude, um den Flughafen herum, hab ich das Gefühl an einem wunderschönen Ort gelandet zu sein und die Vorfreude auf die nächsten Tage steigt ins Unermessliche. Freeriden und Powderlines ziehen steht auf dem Tagesprogramm. Ich bin überglücklich.
Und ich dachte, ich fahre in den Winterurlaub. „Hätten wir doch mal die Tauchausrüstung eingepackt!“
Die Saison soll nicht die Beste sein, hört man es von erfahrenen Japanern und Aussies*, die seit Jahren hierher kommen, durch Niseko raunen. Jedoch der Schneesturm. Der kam stärker als vorhergesagt. Und das ist unser Glück. Auf den zweiten Blick. Nach verschobenen und abgesagten Flügen und einer ungeplanten Nacht in Tokio, erreichen wir unser Chalet, nicht weit von Niseko. Eingeschneit.
Egal, wir sind jetzt hier und es hat Unmengen von Schnee.
Die Japaner sind ein wahnsinnig nettes und zuvorkommendes Volk und man kann gar nicht anders, als sie anlächeln, wenn sie sich vor einem als Gruß oder Dank verbeugen. Genau so ergeht es uns, als wir 20 Minuten bevor der Lift aufsperrt vor einem riesigen, schwarzen Garagentor stehen. Der Zugang zum Lift. Ein älterer Japaner verbeugt sich tief und nickt uns vielsagend zu. Eine Viertelstunde später hat sich hinter uns eine kleine Schlange gebildet. Jeder Einzelne ausgerüstet mit Powderlatten, also extrem breiten Skiern, oder diversen Tiefschnee-Snowboards. Was auf den ersten Blick wirkt, wie ein Surfbrett zum Wellenreiten, entpuppt sich als sogenannter „Fish“ und ist ein Snowboard in Form eines Surfbretts mit Bindung oben drauf. „Oh ja“ sage ich laut und grinse: „Die Japaner verstehen was vom Freeriden.“
Die Hänge sind anders als in den Alpen. Flacher und mit Bäumen in großen Abständen durchsetzt. Diese Voraussetzungen bieten uns eine gute Sicht und eine Menge Spaß, da man es die meiste Zeit „vollgas“ laufen lassen kann und einem dadurch der Schnee nur so ins Gesicht spritzt. Abends lachen wir über die Bilder, auf denen sich eine weiße Wand bietet und ein zu O-form gespitzter Mund durchbricht. Tief wird die Luft nach jedem Schwung eingesaugt. Und ich dachte, ich fahre in den Winterurlaub. „Hätten wir doch mal die Tauchausrüstung eingepackt“, schmunzeln wir.
Nachrichten aus der Heimat berichten von 20° Celsius und grünen Hängen. Natürlich versuchen wir dadurch nur umso mehr, jeden einzelnen Schneemoment auszukosten. Aufstehen, Frühstücken, Schnee schaufeln, Powderline nach Powderline suchen, Essen, Trinken, Schlafen. Unsere tägliche Routine. Nach fünf Tagen, die erste Nacht, in der es nicht schneien soll. Aber nach den Schneemengen der letzten Tage und Nächte stört uns das nicht im Geringsten und wir planen die erste Skitour. Unverspurte Hänge gibt es noch zur Genüge. Auch das macht Japan aus, bis jetzt zumindest noch. Im Vergleich zu den weltbekannten Freeridegebieten der Heimat, ist hier einfach weniger los. Niseko hat sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht und ist weitaus kein Fremdbegriff für viele Freerider mehr. Weicht man jedoch nur ein bisschen ab, von den Gebieten, die direkt an den Ort angrenzen, trifft man wieder auf weitaus mehr Japaner als Urlauber und frische Spuren lassen sich mit Leichtigkeit setzen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: „Oh ja. Der Japow/Sushi-Pow/fluffig leichter Japan-Powder existiert.“ Auch die japanische Kultur ist die Reise wert, darüber ließe sich jedoch leicht noch ein separater Blog schreiben. Ob der Schnee weißer, also besser ist, darüber lässt sich streiten. Anders ja. Fluffiger, weicher, ungewohnter. Das Skifahren und Snowboarden macht wie meistens einfach richtig Spaß. Aber ich denke, dafür gibt es viele überragende Orte auf dieser Welt. Mit dem Schnee und dem Skifahren ist es hier wie mit dem Reisen. Es ist unglaublich und berührt die Seele, Neues zu entdecken und die Abenteuerlust zu wecken. Was nun besser oder schlechter ist, darf jeder selbst beurteilen. Wie Japow definiert ist, können wahrscheinlich auch nur diejenigen nachempfinden die ihn einmal durchpflogen haben. Vieles zu sehen und sich der Unterschiede zu erfreuen, das reizt die Skifahrer, wie auch die Reisenden unter uns. Für mich persönlich war es ein wahnsinniges Erlebnis und Niseko und seine Umgebung eine der Orte, an denen ich unbedingt mal Freeriden wollte. Also sage ich zum Abschluss ein letztes Mal „Japow! …. Vielleicht treffen wir uns wieder.“
*Australier
Hallo Alex,
danke dir! Wir waren 10 Tage unterwegs…obwohl ich gern noch geblieben wäre 😉 also dann kann ich dir nur sagen: Los, los und Flug buchen 😉
Liebe Grüße
Rosanna
Hallo Rosanna,
Sehr cooler Artikel! Wie lange hattet ihr denn Zeit den Japow zu shredden?
Japan steht auch ganz weit oben auf meiner To-Do Liste 😉
LG Alex