Für viele kann der Winter gar nicht lange genug dauern, nicht weniger verfluchen ihn und wünschen sich zur gleichen Zeit den Frühling herbei. Skitourengeher haben es dagegen leicht im Frühjahr, sie können sich entscheiden ob sie nochmal in den Winter eintauchen wollen oder nicht. Wenn man Zuhause schon auf der Terrasse sitzt, die Sonne scheint und die Wiesen schon grün werden, fällt es vielen schwer zu glauben, dass man an so einem Tag, nicht weit von Zuhause entfernt, noch Schwünge im frischen Powder setzen kann.
Mit der Aussicht auf Sonne und Neuschnee packte meinen Freund Flo und mich letztes Wochenende noch einmal die Lust am Winter. Sie sollte uns über das Alpetal auf den Hohen Göll führen. Mit dem Ski am Rucksack starten wir kurz vor Hinterbrand in den Alpetalsteig.
Anfangs eher steil und auch kurz mit Drahtseilen gesichert, zieht der Weg eine Waldrinne hoch. Schon bald nach dem gesicherten Abschnitt wechseln wir auf die Ski. Der Untergrund änderte sich, die Steilheit jedoch bleibt gleich, in mitunter komplizierten kleinen Serpentinen zieht die Spur nach oben. Die Aussicht auf Sonne, wenig weiter, motiviert. Mit Erreichen des großen Plateaus öffnet sich der Blick auf den mächtigen Göll und auf die Hänge Richtung Hohes Brett. Zeit für eine kurze Pause. Der Blick ins Tal offeriert die grünen Wiesen um Schönau. Drehen wir den Kopf, lachen uns die frisch verschneiten Hänge rundum entgegen. Die guten Bedingungen locken. Wer das Alpetal vom Sommer her kennt, weiß um das ständige auf und ab über die hellgrauen Kalkplatten. Ein paar kleine Zwischenhügel lassen sich auch im Winter nicht vermeiden, jedoch ist es um einiges angenehmer mit Schnee und Ski unter den Füßen. Wir überqueren die eindrucksvolle Hochfläche gen die Scharte zwischen Hohem Göll und Hohem Brett.
Das Gelände wird wieder steiler. Flo gibt Gas. Ich versuche dran zubleiben. Uns wird heiß, die Sonne macht ihren Job, sogar so gut dass uns ein Typ nur mit kurzer Hose und Rucksack bekleidet überholt. Noch kann die Sonne dem Schnee nichts anhaben, die eigentlich kalten Temperaturen halten ihn pulvrig. Kurz vor der Scharte geht es für uns dann nach links in Richtung des Vorgipfels. Über eine breite Rinne gewinnen wir Kehre für Kehre an Höhe. So öffnet sich auch der Blick in die Ferne. Am Grat hinüber zum Hohen Brett hat der Wind gewaltige Wechten gebildet.
Es scheint als wolle der Schnee alle Gelegenheiten nutzen, die sich ihm bieten, um sich am Fels festzuhalten. So zieht jede, der kleinen Gesteinserhebungen, in Windrichtung, eine Fahne aus Schnee nach sich. In der Sonne und überzogen mit frischem Schnee ergibt sich ein eindrucksvolles Bild. Auch die Ostwand des Watzmann zeigt sich jetzt ganz hinten. Mit schwerer werdenden Beinen erreichen wir den Vorgipfel. Jetzt zeigt sich auch der Gipfel des Göll. Der Blick hinüber erfreut die Oberschenkel, nach dem flachen Verbindungsgrat wartet nur noch ein kurzes Steilstück. Die rund 1400 Höhenmeter sind also fast geschafft. Von der Wechte weit genug linkshaltend nähern wir uns dem Gipfelkreuz. Das letzte Steilstück fordert uns noch einmal, dann stehen wir am Gipfelkreuz-eines der schönsten-des Hohen Göll.
Auf 2522 m genießen wir Brotzeit und Ausblick. Uns bietet sich ein einmaliger Kontrast zwischen Frühling im Tal und den winterlichen Bergspitzen um uns herum. Die Möglichkeit zu haben in eine andere Welt eintauchen zu können erfüllt mich mit Glück und intensiviert die Eindrücke. Ein Gefühl der Freiheit macht sich breit, blickt man doch nun auf die völlig andersartige Welt herab, der man heute früh entflohen ist. Beim Abfellen der Ski weicht dieses Gefühl der Vorfreude für die anstehende Abfahrt. Die Route ist im Prinzip gleich der des Anstiegs, wobei das Gelände zahlreiche Variationsmöglichkeiten zu bieten hat.
Am Anfang heißt es Schwung mitnehmen um zum Vorgipfel zu kommen. Mit der Einfahrt in die große breite Rinne stellt sich der pure Abfahrtsgenuss ein, auch wenn sich der Schnee hier durch die südseitige Exposition schon etwas gesetzt hat. Anschließend queren wir auf die vom Hohen Brett vor Sonneneinstrahlung geschützten Hänge. Es zahlt sich aus.
Im nun perfekten Pulverschnee finden wir feine Lines. Auf der Hochebene angekommen blicken wir noch einmal zurück auf das weite Rund des Alpetals. Nach den kleinen Gegenanstiegen auf der Ebene sind wir nochmal gefordert. Die folgende Rinne ist steil und der Schnee ist hart. Volle Konzentration ist nötig. Nach einer kleinen Querung aus der Rinne heraus erreichen wir das Ende der Schneedecke. Mit einem breiten Smile im Gesicht packen wir die Ski wieder an den Rucksack und machen uns im Bewusstsein noch einmal einen tollen Skitourentag erlebt zu haben auf die letzten Meter. Über den versicherten Steig kommen wir zurück nach Hinterbrand.
Der Frühling hat uns wieder.