Watzmannüberschreitung

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Es war September. Ich glaub der 18., ein Samstag an dem wir (Daniel und Ich) es endlich schafften unsere lang  geplante Tour zu machen. Die Watzmannüberschreitung sollte es sein. Ein hohes Ziel in den Berchtesgadener Alpen und so ziemlich das längste was man nach dem Jubiläumsgrat oder der Ostwand in den Bayrischen Alpen machen kann.

Meine 1. Überschreitung liegt schon ein paar Jahre zurück – damals hatten wir uns sehr lange damit beschäftigt. Was muss ins Gepäck? Helm – Klettersteigset und natürlich viel Wasser zum trinken – die Tour ist ja in manchen Führern mit 14h angegeben. Im Grunde hatten wir vorsichtshalber alles in unsere Rucksäcke gepackt, gefühlt schleppten wir 10 kg über den Watzmann – zurück im Tal fragten wir uns warum wir den Helm und das Klettersteigset dabei hatten, es blieb die ganze Zeit im Rucksack. Uns erschien die Gefahr sich im Klettersteigset zu verhädern und dabei blöd auf den Fels zu schlagen größer als die Gefahr abzustürzen. Entscheiden sollte dies aber jeder Bergsteiger für sich selbst. Nach 11 h war unser 1. Martyrium endlich beendet – zumal wir den Abstieg und den Rückweg im Regen zurücklegten, trotzdem verspürten wir ein tolles Gefühl der inneren Zufriedenheit als wir am Auto im Wimbachgrieß ankamen – bis dato war das die wohl landschaftlich schönste Bergtour ich je gemacht habe. Wir ließen uns damals sehr viel Zeit und konnten die Tour in vollen Zügen genießen.

2012 fragte mich dann ein alter Studiumsfreund ob ich mit Ihm die Überschreitung noch mal gehen möchte. „Na Klar Michi“ auch diesmal starten wir an einem sonnigen Wochenende in einem Zug über den Berg. Natürlich ohne Helm und Klettersteigset, die Bergschuhe wurden damals auch schon gegen leichte Zustiegsschuhe getauscht. Nach 9h erreichten wir damals das Auto am Parkplatz Wimmbachgries.

Bei der Heimfahrt kam in mir dann zum ersten Mal die Frage auf: Wie schnell würde die Tour machbar sein?“ Ich überlegte, 9h ist schon eine ordentliche Zeit, also 1-2h sind da doch locker drinnen. Also 7h? Warum nicht. Leichter Rucksack, 2 Liter zum trinken, Berglaufschuhe und leichte Kleidung und alles Unnötige bleibt zu Hause. Und der Kaffee am Watzmannhaus fällt dann eben auch aus. Ok – so könnte es funktionieren. Und dann eben noch etwas mehr Gas geben. Allein oder doch jemand fragen? Die ersten Freunde hatten mit einem Augenzwinkern abgelehnt – keiner konnte sich vorstellen warum man über den Watzmann laufen sollte. Ich muss zugeben –ich weiß es auch nicht – aber es macht einfach Spaß! Achja, der Dani  macht so was bestimmt mit – wobei ich bis zu seiner Zustimmung doch etwas Überzeugungsarbeit leisten musste.

An einem Freitag war es dann endlich soweit. Der Wetterbericht meldete für Samstag leicht bewölkt um die 24 Grad. Ideal, da es uns nicht zu warm erschien. Wir trafen uns um 7.00 Uhr in Traunstein, nach unseren Überlegungen müsste das reichen, Start 9.00 und um ca. 16.00 bis 17.00 Uhr zurück am Auto. Bei der Fahrt stieg langsam die Aufregung. Als wir unsere Rucksäcke noch mal entleerten und wirklich nur das nötigste einsortieren kamen langsam die ersten Zweifel, so entschieden wir uns die Tour locker anzugehen zu lassen um den Druck herauszunehmen. So konnten wir entspannt in den Tag starten.

Bis zum Watzmannhaus wollten wir uns eingehen, um am Grat noch genügend Energiereserven zu haben. Nach 1.5h erreichten wir ganz überraschend bereits das Watzmannhaus – die ersten Gäste waren natürlich schon längst unterwegs Richtung Südspitze. Wir füllten noch kurz die Trinkreserven auf, denn ab dem Watzmannhaus gibt’s bis zum Wimmbachgrieß keine Möglichkeit Wasser zu tanken. Leider zogen die ersten größeren Wolken auf und wir mussten feststellen, dass es in der Nacht zuvor regnete – was bedeutete, dass der Grat feucht bzw. nass sein musste. Beim weiteren Aufstieg wurde es auch immer kälter – die kurze Hose und T-Shirt waren dann doch zu wenig. Wir sahen bereits die ersten Leute in Daunenjacken. Ich ärgerte mich meine Fleecjacke im Auto gelassen zu haben – aber geteiltes Leid ist halbes Leid und an Danis Armen konnte man auch schon eine leichte Gänsehaut erkennen. Zum Glück hatte ich dann doch noch ein Paar Armlinge eingepackt. Aber gut, wer nicht frieren will muss sich eben bewegen – und das taten wir dann auch.

In einer weiteren Stunde erreichen wir das Hocheck. Wir freuten uns über die tolle Aussicht zum Königssee und die Berchtegadener Alpen. Leider blicken wir nur auf die Berchtesgadener Wolkenwand die uns sämtliche Fernsicht zu Nichte machte – nicht mal die Mittelspitze war erkennbar und das, trotz gemeldetem Sonnenschein ab Mittag. Am Hocheck saßen bereits über 40 Bergsteiger die über den Grat wollten. Ein Teil dreht wegen des Wetters sogar um, was wir nicht ganz verstanden. Es waren wieder alle Facetten von Bergsteigern vertreten, wir sahen Leute mit Helm, Steigeisen, Pickel und 60 Meter Seil, ein paar Leute die die Überschreitung auf 3 Tage geplant hatten und dabei einen 50L Rucksack transportieren aber auch ein paar sportliche die ebenfalls leichtes Gepäck dabei hatten. Wir  überlegten kurz eine kleine Rast einzulegen, doch die Pause wurde wegen Überbevölkerung auf eine kurze Nahrungsaufnahme reduziert. Ein Riegel sollte uns die nötige Energie bis zur Südsitze geben. Ab dem Hocheck beginnen die eigentlichen Schwierigkeiten, bis dorthin ist es „nur“ eine anspruchsvolle Wanderung mit 2 Drahtseilstellen. Über den Grat zieht sich aber fast durchgängig bis zur Südspitze ein Stahlseil. Die ersten 10 Minuten waren wir über die Versicherung sehr dankbar, konnten wir uns daran festhalten um sicher zu starten. Schritt um Schritt wuchs unsere Aufmerksamkeit auf das Wesentliche und die Tritte wurden immer sicherer und schneller. 20 Minuten später standen wir auf der Mittelspitze – und endlich – die ersten Sonnenstrahlen kamen aus den Wolken. Ich konnte sogar meine Sonnenbrille aufsetzen, die bis jetzt nur Zierde auf dem Stirnband war.

Der Blick auf die umliegenden Gipfel lässt mich jedes mal zum Staunen bringen, Hundtod, Göll, Kalter, das Steinerne Meer- die Berchtesgaden Alpen sind dann doch viel rauer als unsere Chiemgauer Heimat. Beim weiter Hasten über den Grat sollten die Augen dann doch am Boden bleiben, denn teilweise fällt der Grat links und rechts um die 1.000 Meter ab und wir litten ja unter anhaltendem Zeitdruck. Da ist schnell mal ein Tritt falsch gesetzt. Nach weiten 40 Minuten standen wir auf der Südspitze. Die Uhr zeigte 3:33 h. Das ging ja schneller als gedacht. Jetzt hatten wir das Gefühl uns unsere Leberkässemmlen verdient zu haben. Jetzt war die 1. Pause fällig.

Wie machen wir jetzt weiter? Die 10 km durchs Wimmbachgries sind gut zu Laufen, 1h, vielleicht sogar nur 50 Minuten. Das könnte machbar sein. Von den beiden letzten Überschreitungen wusste ich dass der Abstieg immer sehr unangenehm war, weil zum einen die Wegfindung etwas schwierig ist und zum anderen sich der Abstieg doch länger zieht als man meint. Immer wieder eine neue Kurve und ein neuer Absatz. Mit jedem Bissen in die Semmeln wurde der Ehrgeiz größer, denn wir wollten wissen was für uns an diesem Tag zeitlich möglich ist. 15 Minuten später waren wir schon im Abstieg – das Geröllfeld wurde zur Skipiste um die Höhenmeter schneller zu vernichten. Kein guter Plan mit Berglaufschuhen, alle paar Sekunden hämmerten Steine gegen den Knöchel 🙂 aber die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden – somit wurde es höchste Zeit um ans Auto zu kommen. Wir flogen förmlich über Stock und Stein. Die lange Eisenkette im unteren Stück glitt durch unsere Hände. Noch ein paar Kurven und wir standen im Wimmbachgries. Ein kurzer Blick auf die Uhr 4:52h.

wimmbachgris

1,5h für den Abstieg ist eine ordentliche Zeit. Etwas müde teilten wir uns noch die letzte Banane und einen Powerriegel. Jetzt folgte die leichteste Übung.  Einen „lockerer“ 10 km Lauf zurück aus dem Gries. Zum ersten Mal kam uns die Idee die Überschreitung in unter 6h schaffen zu können. Wir tranken den letzten Schluck aus unseren Flaschen und entleerten die Schuhe noch kurz von den Steinen die sich im Abstieg unter und in den Socken langsam bemerkbar machten. Wir waren motiviert und begannen zu Joggen, was uns angesichts der 2.200 hm in den Beinen etwas schwerer fiel als sonst. Ab der Wimmbachgrießhütte waren wir dann felsenfest davon überzeugt die Tour mit einer Großen 5 vor der Zeit zu bewältigen. Wir motivierten uns gegenseitig um nicht langsamer zu werden – ab dem Wimmbachschloss mobilisierten wir unsere letzten Kräfte und begannen zu Laufen. Nach genau 5 Stunden und 43 Minuten erreichten wir unser Auto. Unser Plan ging auf!

In Siegsdorf hielten wir noch kurz beim Cafe Weinmüller und gönnten uns einen Apperol samt Zigarette und überlegten ob die Tour auch unter 5h möglich wäre… wir werden es im nächsten Sommer sehen 🙂

 

 

Ein Gedanke zu „Watzmannüberschreitung

  1. Eine tolle Leistung. Hat mich gleich inspiriert die Tour auch zu machen. Ein absolutes Highlight.

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